Zylinder bohren und honen

Zylinder bohren und honen – kein Buch mit sieben Siegeln und doch wird nicht immer alles richtig gemacht.

Durch die Produktion von unzähligen Kolben für vorwiegend klassische Fahrzeuge erhalten wir  naturgemäß auch unzählige Aufträge für das Bohren und Honen der dazugehörigen Zylinder bzw. Motorblöcke. Der Kunde hat gerne alles aus einer Hand – die Lieferung der Kolben und die dazugehörige Dienstleistung, hier das Bohren und Honen der Zylinder/Motorblöcke. Hier fließt unser ganzes Wissen aus über 35 Jahren Zylinderschleiferei Scheuerlein mit ein. Unter unseren Kunden gibt es jedoch auch viele die schon mehr oder weniger lang ihren eigenen Zylinderschleifer für diese Dienste haben. Das ist auch gut so, haben wir doch selbst eine hohe Auslastung unserer Honmaschinen samt Bediener. Manchmal werden wir aber nach der Lieferung unserer Kolben, dem Schleifen der Zylinder an anderer Stelle und deren Einbau wiederum einer anderen Partei mit Problemen und Schäden konfrontiert die durch die Verwendung einer  zu rauhen Honoberfläche oder anderen Unregelmäßigkeiten wie einem zu groß gewählten Kolbenlaufspiel oder anderen Dingen, evtl. auch erst bei der Montage verursacht, entstehen. Aus diesem Grunde möchte ich hier ein paar grundsätzliche Dinge klarlegen auf die hier geachtet werden sollte.                                                                                                  1. Eine zu rauh gehonte Zylinderoberfläche führt zu übermaßigem Verschleiss an den Kolbenringen. Rauhheiten von Oberflächen werden als Rauhtiefe angegeben. Hierzu gibt es unterschiedliche Messverfahren.  Unsere Angaben beziehen sich auf die Einheit Ra in 1/1000mm, ein Mittenrauhwert der die Abweichungen von der Mittellinie als arithmetisches Mittel in 1/1000mm angibt.  Eine Rauhtiefe Ra 0,5 gibt also eine Abweichung von der Mittellinie von 0,005mm, also einem halben 1/1000mm = 1/2000mm an.  Wenn wir einen Zylinder nach dem Feinbohren mittels honen weiterbearbeiten dann geschieht dies in mehreren Schritten und mit bis zu 3 verschiedenen Honsteinkörnungen. Diese Zylinder müssen dann auch nicht mehr eingefahren werden. Mit dem Feinbohren wird die Geometrie des Zylinders wieder hergestellt nachdem verschlissene, ausgelaufene Zylinder nicht gleichmäßig verschleißen. In der Regel wird bis knapp an das Einbauspiel herangebohrt. Liegt ein Kolbenlaufspiel bei 5/100mm wird also bis knapp an das Kolbennullmaß gebohrt sodass etwa noch knapp 1/10mm rausgehont werden muss. Gut die Hälfte davon wird mit einem Schruppstein (z.B. Sunnen R28J47)mit einer Oberflächengüte von Ra ca. 1,0 (1/1000mm) durchgeführt. Geht es dann an die letzten 1/100mm zur Herstellung des Kolbenlaufspiel wird der Stein gewechselt (z.B. Sunnen P28J67) auf fein = Ra 0,4. Möchte ein Kunde eine extrafeine Oberfläche als Ergebnis haben so wird ein zusätzlicher Honvorgang, der jedoch nur ca. 2 Sekunden dauert und die Bohrung nicht mehr vergrößert, auch nicht um 1/1000mm (!),  mit einem sehr feinen Stein (z.B Sunnen P28J87)durchgeführt. Das Ergebnis ist eine Rauhtiefe von RA 0,25 (1/4000mm). Bei diesem Honvorgang werden nur Spitzen entfernt. Sonst nichts. In diesen Flächen kann man sich bereits spiegeln. Um Oberflächenungenauigkeiten bestimmen zu können arbeiten wir mit einem Rauhtiefenmessgerät.

Als wir eine Zylinderbank von einem Kunden nach 15000km Laufleistung wegen Ölverbrauch zur Begutachtung erhielten haben wir folgendes festgestellt: Die Kolbenringe waren scharfkantig eingelaufen. Das ist ungewöhnlich. Der 2. Kompressionsring, ein Nasenminutenring, hat bereits zur Gänze nach dieser Laufleistung getragen. Auch das ist ungewöhnlich. Und noch ungewöhnlicher: Unter dem Mikroskop betrachtet haben die beiden dünnen Ölabstreifringe im Neuzustand und auch noch nach hohen Laufleistungen eine halbrunde Form. Diese Ölabstreifringe waren rasiermesserscharf abgetragen und rechteckig. Das Stoßspiel war dadurch auch zu groß. Die Vermessung der Zylinderwandung hat den optischen Eindruck bestätigt: Die Rauheit Ra war nach dieser Laufleistung immer noch bei 1.0, also viel zu rauh, zu grob. Die großen Spitzen hatten zu dem großen Verschleiss an den  selbst hartverchromten Ringen geführt. Diese grob gehonten Oberflächen würden sehr dickes Öl als tragfähiges Medium benötigen.

Ein weiterer Fehler beim Zylinder bohren und honen kann ein zu großes Einbauspiel der Kolben sein. Wir sind ein Freund von kleinen  Einbauspielen. Kleine Einbauspiele sind der Garant für hohe Laufleistungen. Jedoch muss das Einbauspiel passend zum Kolben gewählt sein. Viel Material ergibt viel Wärmedehnung. Aus diesem Grund sind Kolben weder rund noch zylindrisch. Erst nach Erreichen der Betriebstemperatur stellt sich die Rundheit und die Zylindrizität ein. Fährt ein Kolben nach oben aus der Betriebstemperatur raus wird es ihm zu eng. Kolbenklemmer. In den meisten Fällen kann man dann am Kolben die Ursache für den Klemmer anhand der Lage der Klemmspuren analysieren. Dazu gibt es von den Kolbenherstellern schöne Schautafeln mit Erklärungen. Wir lassen alle unsere Kolben mit einer MOS2-Beschichtung herstellen. MOS2 kann nicht fressen! Aus diesem Grunde kann man, da der Messpunkt im Bereich der Beschichtung liegt, zu dem Kolbenmaß auf der Beschichtung ein um die Beschichtungsstärke kleineres Einbauspiel geben. Dieses reduzierte Einbauspiel liegt dann bei den Kolben bis ca. 65mm bei nur 2/100mm, bis ca. 80mm bei 2,5/100mm und darüber bei ca. 3/100mm.  Und dann gibt es noch die sogenannten Schmiedekolben. Leider ist dies ein etwas irreführender Name da man unter einem Schmiedeteil normal etwas ganz anderes erwarten darf. Ich nenne diese Kolben nicht Schmiedekolben – bei mir sind das Presslinge. Während bei den Gusskolben das Aluminium (eigentlich eine Aluminiumlegierung mit Anteilen von Silizium, Kupfer, Nickel, Magnesium) auf über 650Grad erhitzt wird bis es sich verflüssigt um in die Form gegossen werden zu können reichen bei den Presslingen schon Temperaturen von oberhalb von 500Grad. Die Alu-Knetmasse wird dann unter Druck in eine Form gepresst und kann sogleich nach etwas Abkühlung wieder der Form entnommen werden. Fertig für die nächste Füllung Knetmasse. Was mir auffällt: So gut wie alle Hersteller und Anbieter von Presslings-Kolben geben sehr große Kolbenlaufspiele von bis zu über 10/100mm an. Entsprechend groß ist das Kippmoment dieser Kolben bis sie ihre Betriebstemperatur erreicht haben. Also absolut nichts für Kurzstreckenfahrer. Wir selbst sind deshalb kein Freund von diesen Presslingen. Um nicht in die Haftung gehen zu müssen lassen wir in der Regel die Presslinge vom Kunden selbst besorgen, lassen uns das gewünschte Kolbenlaufspiel vorgeben und sind dann aus dem Schneider wenn es  um Ölverbrauch geht.